Am 08.09.2022 hat der Deutsche Bundestag das neue Infektionsschutzgesetz IfSG beschlossen. Auch durch einige Änderungen des Entwurfs, die erst am 06.09.2022 vorlagen, wurde das Gesetz in einigen wesentlichen Punkten erheblich verschärft. Dies hat für Mitarbeiter von Kliniken, teilstationären Einrichtungen und Pflegediensten, aber auch Ärzte erhebliche Auswirkungen:

 

Faktische Impfpflicht

Es wurde ein in weiten Teilen ergänzter § 35 geschaffen, der durch die Einführung von „Hygienekonzepten“ bei Vollstationären, teilstationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen erforderliche Maßnahmen zur Verhütung von Infektionen vorsieht (§ 35 Abs.1 IfSG neu). Wie dieses Hygienekonzept aussieht, bleibt zwar dem Unternehmen überlassen. Allerdings ist in § 35 Abs.1 IfSG festgelegt, daß das Hygienekonzept kraft gesetzlicher Vermutung dann dem Stand der Wissenschaft entspricht, wenn es der nach den Empfehlungen einer neuen, nach dem geänderten § 23 Abs.1 zu schaffenden „Kommission für Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe“ entspricht (§ 35 Abs. 1 IfSG neu).

Die betroffenen Unternehmen haben von 01.10.2022 bis 23.04.2023 einen Hygienebeauftragten zu ernennen, der sicherstellt, daß die Maßnahmen und Abläufe eingehalten werden (§ 35 Abs. 1 IfSG neu). Der Arbeitgeber darf hierzu Daten der Beschäftigten – auch über Impf- und Genesenenstatus – umfassend verarbeiten (§ 35 Abs. 2 IfSG neu). Die Einrichtungen haben hierzu auch umfassende Meldepflichten sowohl betreffend Mitarbeitern, als auch betreffend Patienten oder Bewohnern (§ 35 Abs. 6 IfSG neu).

Es steht daher zu erwarten, daß die meisten betroffenen Kliniken, Heime und ambulanten Pflegedienste die Impfungen als Teil des Hygienekonzepts einführen.

 

Angriff auf die ärztliche Schweigepflicht

Ärzte, die Impfunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt haben, wurde durch den (erst im Änderungsentwurf enthaltenen) neuen § 20a Abs.5 Satz 2 eine umfassende Auskunftspflicht gegenüber dem Gesundheitsamt auferlegt. Der neue § 20a Abs.5 Satz 2 IfSG lautet auszugsweise:

„§ 20a Absatz 5 IfSG wird wie folgt geändert:
aa) In Satz 2 wird vor dem Punkt am Ende ein Semikolon und werden die Wörter „Personen, die über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen des Gesundheitsamtes die erforderlichen Auskünfte insbesondere über die dem Nachweis zugrundeliegenden Tatsachen zu erteilen,
Unterlagen vorzulegen und Einsicht zu gewähren; § 15a Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend“ eingefügt.“

Der neue § 15a Abs. 2 Satz 2 lautet:

„Der Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden; Entsprechendes gilt für die Vorlage von Unterlagen“

Es ist damit fraglich, ob Ärzte sich also gegenüber dem Gesundheitsamt weiterhin auf die Schweigepflicht berufen können. Sie haben ggf. oft – je nach Grund der bescheinigten Impfunfähigkeit - sehr tiefe Einblicke in die gesamte Krankengeschichte des Patienten zu geben. Die Auskunft verweigern dürfen Ärzte nach diesem Entwurf nur, wenn sie sich durch ein falsches Attest selbst strafbar gemacht haben.

In Anbetracht der strafbewehrten Schweigepflicht der Ärzte (§203 StGB) sollte von diesen sorgfältig abgewogen werden, ob und welche Patientendaten sie an das Gesundheitsamt übermitteln. In Anbetracht der fehlenden Klarheit der Regelung und der nicht immer eindeutigen Frage der Relevanz solcher Daten ist bei Herausgabe durchaus ein Strafbarkeitsrisiko für Ärzte gegeben. Eine Gesetzesbegründung, durch die eine Auslegung der Norm erleichtert würde, enthält dieser Änderungsentwurf nicht. Da diese Änderung im ursprünglichen Entwurf (20/2573) nicht vorhanden war, ist bei den dortigen Gesetzesbegründungen auch keine Begründung dieser Norm vorhanden.

Ob diese Regeln alle verfassungsgemäß sind, ist zu bezweifeln und bleibt im Ergebnis abzuwarten. Insbesondere die ziemlich uferlose und nicht konkretisierte Auskunftspflicht von Ärzten gegenüber dem Gesundheitsamt ist wohl nicht hinreichend abgegrenzt. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht diese Fragen auf eine Klage beantworten wird.

Der Entwurf des Bundestages finden Sie hier: https://dserver.bundestag.de/btd/20/025/2002573.pdf

und die Änderung durch den Ergänzungsentwurf finden Sie hier: https://dserver.bundestag.de/btd/20/033/2003312.pdf

Die letztlich beschlossene Änderung durch den Bundesrat betraf die §§ 20a, 35 IfSG nicht.

Das neue IfSG wurde am 16.09.2022 verkündet; die aktuelle Fassung finden Sie hier: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__20a.html

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